Tag 5 – Freitag :: Pause

Morgens, 6.30Uhr. Ich stehe mit einer Tasse Kaffe (mittlerweile Zitronenwasser) auf dem Balkon und nehme ein Foto auf. Eine Story für Instagram, die ich beschrifte mit meiner aktuellen Befindlichkeit, Gedanken, die mir durch den Kopf gehen.

Um 8 Uhr habe ich die Kinder in Schule und Kindergarten abgeliefert und radle durch den Prater ins Büro. Die Sonne scheint und schickt zarte Strahlen durch das Grün der Bäume. Irgendwo kräht schon ein Rasenmäher, Hunde jagen über die Wiesen. Ich halte an und die Handykamera ins Grün. Eine neue Story für Instagram. Damit alle die Schönheit des Momentes sehen, die in dem Moment eigentlich nur mir gehört.

Aus dem Büroalltag ein Kaffeeposting oder eines darüber, wie müde und erschöpft ich bin. Das findet Zuspruch, Mütter fühlen sich angesprochen durch meine Zeilen und ich zähle die Likes.

Den ganzen Tag ziehe ich immer wieder das Handy aus der Tasche, automatisch wandert mein Daumen zum Instagram Symbol. Ich schaue andere Stories an, like Postings, manchmal drehe ich ein eigenes Reel und lache mich kaputt darüber.

Um 20Uhr will ich eigentlich eine für mich festgelegte Bildschirmzeit einhalten. Aber es gelingt mir nicht. Nur noch einmal nachschauen, noch einmal für 15 Minuten die App öffnen. Das mache ich dreimal, oder öfter, denn jetzt ist es auch schon egal. Um 22Uhr schalte ich das Handy auf Flugmodus und fühle mich gut dabei. Doch bis dahin habe ich oft schon 5-6Stunden an diesem Gerät zugebracht.

Das Handy bestimmt meinen Alltag mehr, als mir lieb ist. Das tut es mittlerweile für die meisten von uns. Wenn es uns bewusst ist, verdrängen wir den Gedanken so wie bei jeder Sucht. “Da sollte ich mich mal drum kümmern. Irgendwann.”

Gestern war irgendwann. Gestern saß ich auf dem Balkon und legte meinen Kopf auf meine Hände die auf meinen angezogenen Knien lagen. “Wer ist das eigentlich, dieser Körper hier, dieses Wesen?” dachte ich. Oft fühle ich mich ungelenk, zu groß irgendwie, zu viel auf einmal. Bei dem Exmann konnte ich das noch verstehen, der war 2cm kleiner als ich. Aber auch so, im Leben, unter Menschen, fühle ich mich oft zu groß. Unwohl. Das ist schon viel besser geworden, aber ein Teil in mir ist immernoch ungelenk und fragt sich: Was wollen die Menschen von mir wirklich? Was kann ich ihnen geben? Wer bin ich? Was macht mich aus?

Ich dachte an Instagram. Die Figur, die ich dort lebe. Bin das ich oder ist es nur eine Puppe, mit der ich spiele? Was davon bin ich, was die Inszenierung für eine Menschenmasse, die ich nur teilweise kenne? Mal ist es meine Kunst, die ich präsentiere, mal meine innersten Gedanken. Mal ist es Alltagsgefasel, mal geht es in die Tiefe. Aber was von all dem bin ich? Wer ist das Wesen, wenn es nichts nach außen zeigt? Wer bin ich dann?

Der Gedanke faszinierte mich. Wer bin ich und was tue ich, wenn ich es nicht auf Instagram zeige? Wenn ich nicht darüber berichte, davon erzähle. Das war der Punkt, den ich erreichen musste. Der mir gezeigt hat, dass ich dringend eine Pause brauche dort. Dass es Zeit wird, dass ich nur für mich lebe. Für die Nadine hinter dem Account.

Also werde ich ab morgen eine Pause einlegen. Mindestens 10 Tage. Ich habe bewusst diese Zeit jetzt gewählt, weil die Kinder ab morgen bei ihrem Papa sind. Da habe ich gewöhnlich noch mehr Zeit für Instagram und Co. Die Herausforderung ist also noch größer, das Handy beiseite zu legen.

Ich muss dazu sagen – ich finde Instagram nicht per se schlecht. Im Gegenteil, ich mag es sehr, sehr viel mehr als Facebook, weil es nicht so überladen ist, sondern sehr kompakt. Ich finde dort viel Inspiration für viele Lebensbereiche. Aber was ist mein Beitrag dort? Was ist es, was ich wirklich teilen möchte, wer will ich dort sein? Und wer bin ich hier ohne Instagram?

Ich bin gespannt. Ich freue mich drauf, abzutauchen. Und sicher werde ich hier davon berichten.

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