Tag 14 – Sonntag :: 4 Wochen nüchtern

Heute vor vier Wochen habe nach einem langen Tag hin und her die Entscheidung getroffen keinen Alkohol mehr zu trinken. Volle Kanne nüchtern durchs Leben zu gehen. Und bisher halte ich das für eine der besten Entscheidungen meines Lebens.

Die ersten Tage waren natürlich sehr einfach. ich war noch high von der Entscheidung. Der letzte durchtrunkene Abend war noch sehr präsent und ich war sehr gewillt, hatte das Gefühl vor einem neuen Abschnitt meines Lebens zu stehen. Parallel dazu hatte ich mir das Buch “Nüchtern” von Daniel Schreiber auf meinen Kindle geladen und fühlte mich damit plötzlich sehr bestärkt und verstanden in meiner Entscheidung. Vor allem hatte ich plötzlich das “Alle sollten aufhören damit” Gefühl. Aber ich wollte natürlich alles andere als missionarisch werden.

Keine zwei Wochen später fand ich mich auf einem Kindergeburtstag wieder, wo den Eltern Bier und Radler angeboten wurde. Ich war die einzige, die ablehnte, bekamt aber auch keine Alternative angeboten. Persönlich störte mich das weniger, in Ermangelung öffentlicher Toiletten vermeide ich das Trinken auf Spielplätzen generell. Aber natürlich schärfte sich meine neu eingestellte Beobachtung des Alkohols in unserer Gesellschaft. Nachdem alle Frauen zum Radler gegriffen haben, nahm der einzige noch anwesende Mann ein Bier und wurde dafür vom Gastgeber als “richtiger Mann” bezeichnet. Das wäre mir früher vermutlich nicht mal aufgefallen.

Dann stand der erste Abend an, an dem ich in einer Theaterbar saß und zwischen Soda Zitrone und Apfelsaft gespritzt wählte. Auch das fiel mir nicht schwer. Als hätte ich einen Teil von mir nach außen gestellt beobachtete ich mich den ganzen Abend. Da saß ich am Tisch mit fremden Menschen, nur einer mir bekannten Person und war ganz ich selbst. Die Nadine unbenebelt und ganz klar. Das war spannend. Schöner noch: Ich mochte diese Nadine so viel mehr als die andere. Am nächsten Tag war ich mir dazu noch dankbar, denn ich wäre “früher” sicher mit Kopfschmerzen aufgewacht.

Es folgten weitere Situationen. Noch ein Kindergeburtstag, an dem ich mich selbst um Getränke kümmern musste, weil ich den Wein ausschlug. Das Abschlussfest in der Schule am letzten Schultag, an dem ich sonst kräftig schon vormittags zuschlug. Auch hier blieb ich dieses Mal sehr klar und bei mir, das gefällt mir immer mehr. Richtig schön war eine Geburtstagsfeier unlängst, auf der ich so viel gelacht habe und das als einzige nichttrinkende Person. Beseelt ging ich danach ins Bett und wieder freute ich mich, dass ich klar und ohne Kopfweh aufwachen würde.

Bisher habe ich mich noch nie rechtfertigen müssen fürs Nichttrinken. Was vielleicht auch daran liegt, dass ich grundsätzlich das mir angebotene nur abgelehnt habe ohne dazuzusagen, dass ich GAR KEINEN Alkohol mehr trinke. Im Grunde muss man das ja gar nicht gleich erwähnen, wenn sowieso niemand nachfragt. Spannend finde ich eben nur die wenigen alkoholfreien Alternativen, die auf Parties und Feiern angeboten werden. Weil scheinbar sowieso jeder trinkt.

Bisher bin ich sehr sehr glücklich mit meiner Entscheidung. Es fehlt mir nichts, ich bin genauso gesellig wie früher und gehe aus. Ich kann mich unterhalten wie früher und auch richtig viel Spaß haben. Das finde ich wunderbar.

Ich weiß aber auch, dass das bis jetzt eher ein Spaziergang war. Je weiter mein Alkoholkonsum in die Vergangenheit rückt, umso mehr werde ich mich vielleicht fragen, ob ich nicht doch hier oder da ein Glas trinken kann. Und ob ich es nicht doch kontrollieren kann. Dann will ich mich an das Buch “Nüchtern” erinnern. Denn darin schreibt Daniel Schreiber, dass wir nie weniger abhängig werden, egal wieviel Zeit zwischen uns und dem letzten Glas liegt. Daran will ich mich unbedingt erinnern. Und immer wieder daran, wie gut ich mich leiden kann, wenn ich nichts trinke.

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