Jugendliebe

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Ich war sechs, als ich das erste Mal geküsst habe. Einen Jungen in meinem Kindergarten, wir waren befreundet und trafen uns auch nachmittags oft zum Spielen. “Los wir küssen uns. Mit Zunge!” rief er. Und dann heimlich streckten wir uns die Zungen entgegen. Ganz kurz nur, dann fanden wir das beide eklig.

Ihm habe ich auch bewiesen, dass ich sehr wohl wie die Jungs im Stehen pinkeln kann. Im Wald haben wir das gemacht, wo wir oft gespielt haben nachmittags. Damals konnte ich das wirklich noch.

Als dann die Schule anfing, verloren wir uns aus den Augen, wie das oft so ist in dem Alter. Er kam in eine andere Klasse als ich und ein Jahr später zog ich einen Ort weiter und fand wieder neue Freunde.

Dann kam die Wende. Unser Schulsystem wurde umgekippt. Alles anders. Alles neu. Und noch ein paar Jahre später, als wir uns für die Oberstufe am Gymnasium rüsteten, wurde wieder vieles neu. Wir bekamen Zuwachs an der Schule. “Die aus den Dörfern rundherum” kamen dazu, weil deren Schulen die Kapazitäten nicht hatten. Und da sah ich ihn wieder, meinen Kindergartenfreund.

Ein paar Wochen später – viele waren es nicht, aber die Erinnerung ist mit 44 nicht mehr hundsscharf – küssten wir uns wieder. Dieses Mal ganz echt. Und lange. Und dann waren wir zusammen. Erste Liebe. Mein erster fester Freund. Zum ersten Mal das richtig große Kino in mir drin. Alles, was dazu gehört. Das erste Mal. Ganz viel Lachen. Ganz viel Knutschen. Verrückte Ideen. Wenn ich daran zurück denke, kann ich die Aufregung noch immer spüren.
Bis kurz nach dem Abitur hielt es uns oder wir daran fest. Dann war die Distanz zu groß und wir hatten keine Ahnung, wie man eine Beziehung hegt und pflegt. Wir waren so jung. Ich ging studieren, wollte Neues erleben, Abenteuer und glaubte, dass es da draußen ja noch mehr geben muss. Ich glaube ich habe uns eher aufgegeben als er. Natürlich ging das alles nicht ohne Schmerz, aber der gehört wohl zu einer ersten großen Liebe auch dazu.

Wenn ich an meine vergangenen Beziehungen denke, dann war er darunter ganz klar die ganz große. Mit ihm war alles besonders und einzigartig. Jugendliebe. Nichts, nichts nichts ist mehr so wie diese. Das sagt man nicht nur, davon singt nicht nur Ute Freudenberg sondern das ist einfach so und wir alle wissen das. Umso dankbarer und glücklicher bin ich, dass ich sie so erlebt habe. Voll und ganz und pur und rein. Und dass wir auch heute noch, wenn wir uns sehen, miteinander lachen und reden können.

Wenn ich jetzt darüber nachdenke, was ich mir wünsche, dann würde ich sagen: genau das. Nur neu. Und wenn ich an Tage wie gestern denke, wo in mir eben genau diese Gefühle erwachen, dann werde ich ganz aufgeregt und verrückt. Denn ich weiß – das von damals, das kommt nicht wieder. Aber etwas ganz anderes. Etwas ganz Neues. Und ich habe keine Lust mehr auf Kompromisse, wie ich sie danach so oft eingegangen bin. Vielleicht, weil ich nicht allein sein wollte. Vielleicht, weil ich hoffte, das noch erwecken zu können. Ich will nicht sagen, dass alle Beziehungen danach schlecht oder nur halb waren, aber die meisten sind nicht mal den Begriff Beziehung wert. Ich will wieder Liebe und Leidenschaft. Und Lachen. Und ich weiß, dass ich das kann. Weil ich es erlebt habe. Weil ich es gefühlt habe und wieder fühlen kann. Und weil ich mit nichts anderem mehr glücklich sein werde als damit.

Oh ja, das nächste Mal, das darf groß werden. Anders ja. Neu natürlich. Aber groß. Und echt. Und bis dahin? Genieße ich das Alleinsein. Bin dankbar für die Gefühle, zu denen ich fähig bin. Denke lächelnd zurück an damals. Und tanze neugierig in meine Zukunft.

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