Alleinsein

Eigentlich wollte ich wieder einen Mann an meiner Seite haben. Ein Jahr Singledasein war schön, richtig schön. Aber irgendwie – so dachte ich – wäre es an der Zeit. Ich hatte ein paar genaue Vorstellungen. Schön sollte er sein. Groß. Und vor allem richtig richtig lustig. Denn ohne Lachen ist die Welt ein fader Ort.

2023 begann und ich dachte es wäre ein guter Wunsch fürs neue Jahr. Und weil das Universum so vieles für mich schiebt und richtet, überließ ich ihm auch hier die Führung. Bestellte nur ein paar wesentliche Eckdaten und wollte die Augen öffnen. Draußen in der Welt. Da, wo die Männer sich herumtreiben.

Und dann fing dieses neue Jahr an. Erst leise, wie immer. Mit dem Wunsch nach etwas Rückzug und Ruhe. Im Wohnzimmer lächelte mich mein neues Klavier an. Bücher warteten (und warten) darauf, dass ich sie verschlinge. Zeit für Freundinnen und viele Gespräche. Der Alltag kehrte zurück, es ist schwer, sich in ihm zurechtzufinden. Ich habe das Gefühl ständig etwas zu vergessen oder nicht am Ball zu sein. Schreibe mir alles auf. Laufe mir gefühlt selbst hinterher. Dazwischen immer mal wieder ein Gespräch mit einer Freundin, ein Telefonat mit einer anderen. Chatnachrichten hier und da. Und kaum blicke ich mich mal in Ruhe um, stelle ich fest, dass mein Wunsch für dieses Jahr verblasst ist. Ich sitze im Bus und blicke auf die strahlende Morgensonne und lächle. Ich tanze mit meinen Kindern durchs Wohnzimmer. Verliere mich im anfänglichen Klavierspiel. Da ist kein Gedanke an einen Mann. Keine Sehnsucht. Es ist doch alles da, was ich brauche, denke ich. Und bin zufrieden.

Und dann fällt es mir auf. Es sind die anderen, die mir diesen Wunsch einreden. Nicht bewusst und nicht verbal. Sie sind einfach Pärchen. Sie organisieren sich zu zweit. Sie planen und besprechen. Ich mache all das allein. Ja, manchmal fühlt sich das allein an. Dann wäre eine Hand gut, die kurz mal hilft. Aber kein Mensch, der mir seine Bedürfnisse auch noch umhängt. Mit dem ich mich noch besprechen muss. Zeit finden. Ich bin gern allein und richtig gut allein. Ich habe so viele Interessen und Ideen. Manchmal liege ich in meinem Bett und stelle mir vor wie es wäre, wenn da jemand anderer noch wäre. Keine Sehnsucht. Kein Wunsch. Ich breite mich aus und genieße. Platz. Ruhe. Einfach sein zu können. Und genau das zu können, halte ich für sehr wertvoll. Denn in Beziehungen machen wir uns oft so abhängig voneinander. Engen uns gegenseitig ein. Gar nicht mal bewusst oder absichtlich. Aber wir verlernen das Alleinsein. Den Wert dahinter mit uns selbst zu sein. Mit unseren Gedanken und Gefühlen und allem, was da ist.

Es ist eben auch diese Gesellschaft, die so viel von der Liebe redet. Uns einredet, dass es das ist, was wir alle suchen und wollen. Und natürlich – lieben ist wundervoll und zauberhaft. Lieben zu können ist ein wirkliches Glück. Wie Hermann Hesse schon sagte: “Wer lieben kann, ist glücklich.” Aber die Liebe ist so vergänglich. Und in Wahrheit haben wir doch großteils vergessen, was es bedeutet zu lieben. Wir nehmen die Liebe als gegeben hin. Wir haben einen Partner oder eine Partnerin und dann hört irgendwann das Lieben auf, dann ist das ein vertrautes Miteinander. Weil wir auch viel zu oft unser Glück abhängig machen von dieser Liebe. Wir glauben glücklich zu sein, wenn wir die Liebe gefunden haben. In Wahrheit liegt der Schlüssel doch aber darin glücklich zu sein auch ohne der großen Liebe. Die Schönheit der Welt zu sehen und sich davon berühren zu lassen. Laut lachen zu können. Über sich selbst. Mit anderen. Über die absolute Schrägheit der Welt. Weinen zu können um dann die Erleichterung zu erfahren, wenn die letzte Träne dahin ist. Verzauberung in einem neuen Buch finden. Musik tief ins Herz dringen lassen. Neue Ideen ausbrüten. Verrückte Träume träumen. Komplett Neues ausprobieren. Etwas wagen. Wenn wir all das allein können, dann, dann können wir auch Raum machen für die Liebe. Ohne etwas von ihr zu erwarten. Ohne unser Glück an ihren Jeansknopf zu hängen und zu hoffen, er fällt nie ab.

Im Moment genieße ich mein ganz eigenes Glück. Und ja, irgendwann habe ich wieder Zeit und Energie für einen Mann an meiner Seite, der das mit mir teilen kann oder sein eigenes Glück für mich ein bisschen aufmacht. Einen großen Mann. Einen schönen Mann. Vor allem einen lustigen. Denn das Glück ist auch sehr sehr lustig. Aber im Moment finde ich das Leben zauberhaft genug. Bin endlos dankbar für meine lustigen Freundinnen. Die Arbeit, die immer wieder lustig ist und Spaß macht. Und natürlich für meine wundervollen Kinder, mit denen ich es kunterbunt und fein habe. Das Leben ist doch wirklich schön.

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