Was bleibt

Die Tür fällt zu und alle drei sind aus dem Haus. Wochenende beim Papa. Dieses Mal sogar ein paar Tage mehr, weil Ferien sind.

Ich sinke aufs Sofa und starre erst einmal vor mich hin. Spüre, dass da etwas steckt, etwas raus will. Ich lenke mich am Handy ab. Nur ein bisschen, grad genug, damit die Gedanken weiter fließen können aber auch nicht feststecken. Das passiert, wenn ich zu sehr auf der Suche bin nach Gründen. Gründen dafür, warum ich mich gerade so fühle, wie ich mich fühle. Schwer. Unwohl. Traurig. Wütend. Frustriert. Wie ein eingesperrtes Tier, das die Tür nicht findet und sich nicht erinnern kann, wie es da hineingekommen ist.

Es kommt eine Nachricht rein und ich antworte. Wie es mir geht, war die Frage. Besser, schreibe ich. Jeden Tag ein bisschen. Denn Corona hatte mich gerade zum zweiten Mal erwischt. Und dann rennen die Gedanken los. Dahin, wo das alles anfing. Am Freitag vor einer Woche. Als ich mich etwas kränklich fühlte und morgens dennoch schnell ins Büro musste, um mein vergessenes Ladegerät zu holen. Am Rückweg im Bus der Wunsch nach Homeoffice am Sofa, Kaffee und Ruhe. Ein paar Stunden Ruhe und dann Wochenende. Aber dann kam der Anruf. Der Sohn mit Fieber im Skikurs. Der Moment, wenn sich alles andere ausschaltet und nur noch ein “Klar, ich komme so schnell ich kann.” überlebt.

Auto gebucht. Losgefahren. Hinein in den Winter. Hinein in den Schnee. Höchste Anspannung. Pure Angst und Panik, weil ich Fahren im Schnee absolut nicht gewohnt bin. Gedanken von “Das schaffe ich nicht, da fahre ich gegen den Baum.” bis hin zu “Ich kann das, andere schaffen das auch. Ich bin nicht so eine hysterische Frau.” begleiteten mich. Abwechselnd und parallel. Von allen Seiten plapperten sie auf mich ein. Endlich angekommen Tränen unterdrücken. Der Sohn total fertig, sichtlich froh, dass ich da bin. Im Durchflug alles in den Rucksack geschmissen, die Hälfte vergessen und los zurück. Durch den Schnee, den Winter, über die Autobahn nach Hause. Knapp 7h nur Autofahren. Und daneben weiterplanen und besprechen, weil eine Geburtstagsfeier anstand. Die schon mal verschobene wurde wegen Corona. Dieses Mal nicht. Also gebacken. Eingekauft. Vorbereitet. Und in den letzten Zügen diesen Feier überstanden. Um am nächsten Tag ein positives Ergebnis in der Hand zu halten. Mein eigenes. Da hatte ich schon Fieber und war komplett hinüber. Das war Montag. heute ist Donnerstag.

Jeden Tag wurde es ein winziges bisschen besser. Ich nahm den Alltag wieder auf. Arbeitete. Bekochte die Kinder. Und mich.

Und jetzt sind sie weg. Jetzt kann ich mich ausruhen. Erholen. Vollständig genesen. Und dann fließen sie, die Tränen.

Weil alle Anspannung abfällt. Weil ich nichts mehr muss. Keiner mehr was will. Weil ich die Fahrt im Schnee überlebt habe. Weil ich das alles hier irgendwie geschafft habe und dabei auch richtig blöde Kommentare an mir abprallen lassen habe. Zumindest versucht habe ich das.

Was bleibt ist Stille in mir. Und der Wunsch, wieder zu mir zurückzufinden. Ich weiß, dass das nur geht, wenn ich da jetzt eintauche. In diese Traurigkeit. Dieses Gefühl von klein und allein. Ich weiß, dass ich das nicht bin, aber eben gerade fühle. Es gehört zu mir. dann tauchen schnell andere Gedanken auf. Das verpasste Date. Ärger. Wut. Alle haben heute Platz bei mir auf dem Sofa.

Was bleibt, bin ich. Denn nach und nach werden sie alle einschlafen oder gelangweilt gehen. Und ich werde aufstehen. Noch größer.

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